Industriell wichtige Chlorverbindungen: Unterschied zwischen den Versionen

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== Chlor ist ein typisches Beispiel für Chemie ==
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Das möchte man meinen, denn das sehr reaktive Chlor kommt natürlich nur meist als Chlorid-Ionen vor und alles andere hat die Chemie geschaffen. Und Liste mit den Negativbeispielen aus der industrielle Chlorchemie ist lang. Viele Chlorprodukte, vor allem Chloralkane und andere Chlorkohlenwasserstoffverbindungen sind in Verruf geraten, weil sie Krankheiten auslösen und die Umwelt gefährden.
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Ein paar Beispiele gefällig?
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* Insektenbekämpfungsmittel wie Lindan und DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) ebenso wie die für viele Zwecke eingesetzten polychlorierten Biphenyle (PCB) haben sich in der Nahrungskette angereichert und sind sogar im Fettgewebe von weit weg von den Menschen lebenden Pinguinen nachgewiesen worden.
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* Wird das Holzschutzmittels Pentachlorphenol (PCP) verbrannt entstehen giftige, krebsauslösende Dioxine.
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* Die Ozonschicht wird durch die, als Kühl- und Treibmittel eingesetzte Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), zerstört. Immerhin hat man das schon erkannt und Konsequenzen gezogen.
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Erstaunlicherweise ist es aber nicht nur der Mensch, der solche giftigen und gefährlichen Halogenalkane produziert. Man hat zwar schon 1934 entdeckt, dass es sich bei dem 30 Jahre zuvor gewonnenen Flechtenstoff Diploicin um einen chlorhaltige Naturstoff handelt. Aber der wurde damals als exotisch empfunden.
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3D-Molekül des Diploicin (grün = Chloratome)
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Inzwischen kennt man etwa 900  natürlich vorkommende Organochlorverbindungen. Produziert werden diese vor allem Bakterien, Pilze und Meeresalgen. Bei einigen Verbindungen stellt ihre Produktionsrate die der chemischen Industrie in den Schatten. So gelangen aus natürlichen Quellen jährlich etwa fünf Millionen Tonnen Chlormethan in die Luft - größtenteils das Werk von Algen und holzabbauenden Pilzen, die somit für ein Viertel des Chlorgehaltes der Erdatmosphäre verantwortlich sind. Dort soll Chlormethan eine Rolle bei den jahreszeitlichen Schwankungen der Ozonschicht über den Polen spielen. Die jährlich etwa 30 000 Tonnen industrieller Herkunft nehmen sich dagegen recht bescheiden aus.
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Weshalb diese Organismen überhaupt chlorhaltige organische Substanzen bilden, erklären Geckeler und Eberhard so: Der Einbau von Chloratomen an ganz bestimmten Stellen eines Moleküls steigert oft dessen biologische Wirkung. So regt das in Erbsen vorkommende Wuchshormon Chlorindolessigsäure das Wachstum der Pflanzen stärker an als seine nichtchlorierten Verwandten. Der Nutzen für die Pflanze liegt letztlich darin, daß sie wegen der besseren Wirksamkeit weniger Hormon produzieren muß.
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Viele Organismen setzen für andere Lebewesen giftige Chlorverbindungen als chemische Waffe im täglichem Kampf ums Dasein ein. Arzneimittelforscher, die auf der Suche nach neuen Medikamenten gern chlorhaltige Naturstoffe testen, machen sich dies zunutze. Ein wirksames Breitbandantibiotikum ist etwa das von Bakterien gebildete Chloramphenicol, das mittlerweile synthetisch hergestellt wird. Es tötet Salmonellen und viele andere Krankheitserreger ab. Erst kürzlich haben Wissenschaftler im Drüsensekret eines südamerikanischen Pfeilgiftfrosches eine medizinisch vielversprechende chlorhaltige Substanz, das Epibatidin, nachgewiesen, das etwa 200mal wirksamer ist als das klassische Schmerzmittel Morphin.
  
  

Version vom 7. April 2016, 07:42 Uhr

Chlor ist ein typisches Beispiel für Chemie

Das möchte man meinen, denn das sehr reaktive Chlor kommt natürlich nur meist als Chlorid-Ionen vor und alles andere hat die Chemie geschaffen. Und Liste mit den Negativbeispielen aus der industrielle Chlorchemie ist lang. Viele Chlorprodukte, vor allem Chloralkane und andere Chlorkohlenwasserstoffverbindungen sind in Verruf geraten, weil sie Krankheiten auslösen und die Umwelt gefährden.

Ein paar Beispiele gefällig?

  • Insektenbekämpfungsmittel wie Lindan und DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) ebenso wie die für viele Zwecke eingesetzten polychlorierten Biphenyle (PCB) haben sich in der Nahrungskette angereichert und sind sogar im Fettgewebe von weit weg von den Menschen lebenden Pinguinen nachgewiesen worden.
  • Wird das Holzschutzmittels Pentachlorphenol (PCP) verbrannt entstehen giftige, krebsauslösende Dioxine.
  • Die Ozonschicht wird durch die, als Kühl- und Treibmittel eingesetzte Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), zerstört. Immerhin hat man das schon erkannt und Konsequenzen gezogen.

Erstaunlicherweise ist es aber nicht nur der Mensch, der solche giftigen und gefährlichen Halogenalkane produziert. Man hat zwar schon 1934 entdeckt, dass es sich bei dem 30 Jahre zuvor gewonnenen Flechtenstoff Diploicin um einen chlorhaltige Naturstoff handelt. Aber der wurde damals als exotisch empfunden.

3D-Molekül des Diploicin (grün = Chloratome)


Inzwischen kennt man etwa 900 natürlich vorkommende Organochlorverbindungen. Produziert werden diese vor allem Bakterien, Pilze und Meeresalgen. Bei einigen Verbindungen stellt ihre Produktionsrate die der chemischen Industrie in den Schatten. So gelangen aus natürlichen Quellen jährlich etwa fünf Millionen Tonnen Chlormethan in die Luft - größtenteils das Werk von Algen und holzabbauenden Pilzen, die somit für ein Viertel des Chlorgehaltes der Erdatmosphäre verantwortlich sind. Dort soll Chlormethan eine Rolle bei den jahreszeitlichen Schwankungen der Ozonschicht über den Polen spielen. Die jährlich etwa 30 000 Tonnen industrieller Herkunft nehmen sich dagegen recht bescheiden aus.

Weshalb diese Organismen überhaupt chlorhaltige organische Substanzen bilden, erklären Geckeler und Eberhard so: Der Einbau von Chloratomen an ganz bestimmten Stellen eines Moleküls steigert oft dessen biologische Wirkung. So regt das in Erbsen vorkommende Wuchshormon Chlorindolessigsäure das Wachstum der Pflanzen stärker an als seine nichtchlorierten Verwandten. Der Nutzen für die Pflanze liegt letztlich darin, daß sie wegen der besseren Wirksamkeit weniger Hormon produzieren muß.

Viele Organismen setzen für andere Lebewesen giftige Chlorverbindungen als chemische Waffe im täglichem Kampf ums Dasein ein. Arzneimittelforscher, die auf der Suche nach neuen Medikamenten gern chlorhaltige Naturstoffe testen, machen sich dies zunutze. Ein wirksames Breitbandantibiotikum ist etwa das von Bakterien gebildete Chloramphenicol, das mittlerweile synthetisch hergestellt wird. Es tötet Salmonellen und viele andere Krankheitserreger ab. Erst kürzlich haben Wissenschaftler im Drüsensekret eines südamerikanischen Pfeilgiftfrosches eine medizinisch vielversprechende chlorhaltige Substanz, das Epibatidin, nachgewiesen, das etwa 200mal wirksamer ist als das klassische Schmerzmittel Morphin.


Quellen